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Die Verdächtigen schweigen

  • Wolfgang Jung und Jan Brinkhus (dpa)

  • Di, 01. Februar 2022
    Panorama

     

Bei einer Polizeikontrolle in Rheinland-Pfalz sind zwei junge Polizisten erschossen worden / Hintergründe der Tat bislang unklar.

Am Tatort an der Kreisstraße nahe Kusel wurden am Montag Spuren gesichert.  | Foto: Sebastian Gollnow (dpa)
Am Tatort an der Kreisstraße nahe Kusel wurden am Montag Spuren gesichert. Foto: Sebastian Gollnow (dpa)

. Die ländlich geprägte Gegend um die kleine pfälzische Kreisstadt Kusel wirkt friedlich, doch an diesem Montag trügt das Idyll. In der Nähe sind zwei Polizisten bei einer Verkehrskontrolle erschossen worden. Am Nachmittag nimmt die Polizei im benachbarten Saarland einen 32 und einen 38 Jahre alten Mann unter dringendem Tatverdacht fest. Die Ermittler hatten öffentlich nach dem 38-Jährigen gefahndet. Daraufhin stellte er sich. Bislang machte keiner der beiden eine Aussage.

Die Polizei hat den Tatort, der sich auf der Kreisstraße 22 befindet, den ganzen Tag über weiträumig abgeriegelt. Kurz hinter dem Ort Mayweilerhof ist die zweispurige Straße nach Ulmet mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Schwer bewaffnete Polizisten in Schutzausrüstung patrouillieren neben ihren Fahrzeugen.

Auch Stunden nach der Tat ist vieles unklar. Nach den bisherigen Erkenntnissen hatten der 29-jährige Polizist und seine 24-jährige Kollegin, die nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) noch an der Hochschule der Polizei studierte, dort gegen 4.20 Uhr ein Fahrzeug kontrolliert. Den Ermittlern zufolge waren die beiden zuvor auf einer routinemäßigen Streifenfahrt unterwegs gewesen. Warum ihnen der Wagen auffiel und was dann passierte, ist Gegenstand der Ermittlungen. Wie aus Sicherheitskreisen zu erfahren war, setzten die Polizisten noch per Funk einen Hilferuf ab.

Am Ende war der Fahndungsdruck zu stark: Der öffentlich gesuchte Verdächtige stellte sich. 13 Stunden nach der Bluttat wurde der 38- Jährige aus dem saarländischen Kreis Neunkirchen vor einem Haus im saarländischen Sulzbach von Spezialkräften der Polizei festgenommen. Zuvor habe sich der Verdächtige über eine Anwältin bei der Polizei gemeldet.

In dem Haus ist kurz darauf ein 32 Jahre alter zweiter Verdächtiger widerstandslos festgenommen worden. In welchem Zusammenhang er zu den Schüssen stehe, müssten die Ermittlungen ergeben. Beide Männer seien Deutsche und hätten sich zunächst nicht zur Sache geäußert. Der 38-Jährige soll an diesem Dienstag dem Haftrichter vorgeführt werden. Die Fahndungsmaßnahmen liefen weiter, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass es Mittäter gebe.

Die Ermittler hatten am Tatort Papiere des 38 Jahre alten Verdächtigen gefunden. Der Mann war der Polizei nach Angaben aus Sicherheitskreisen wegen einer Unfallflucht aufgefallen und soll zudem eine Waffenerlaubnis haben.

Die beiden Polizisten hatten bei der Kontrolle totes Wild in dem Fahrzeug gefunden. Offenbar kam es zu einem Schusswechsel, der 29-jährige Polizist feuerte mehrere Schüsse ab. Er und seine Kollegin trugen Uniformen und Sicherheitswesten. Die Dienstwaffe der 24-Jährigen steckte noch im Holster. Als Verstärkung eintraf, konnte sie den beiden nicht mehr helfen. Der oder die Täter waren mit dem Auto geflüchtet.

Die Tat sorgte weit über die Region hinaus für Entsetzen. "Wir durchleben gerade den realen Albtraum aller Polizistinnen und Polizisten", sagte die Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Sabrina Kunz. Politiker aller Couleur zeigten sich erschüttert. Die beiden getöteten Beamten stammten aus dem Saarland, dort ist die Trauer besonders groß.

Die Polizeipräsidien in Baden-Württemberg luden auf ihren Twitter-Accounts einen Trauerflor hoch und teilten mit dem gleichen Tweet ihre Trauer mit. Zum dem tödlichen Angriff sagte Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) in Stuttgart: "Eine Tat, die sinnloser und abscheulicher nicht sein könnte."

Warum der oder die Täter plötzlich das Feuer eröffneten, ist bisher unklar. Der Ort, an dem die Schüsse fielen, ist weit von den Absperrungen entfernt und aus der Distanz nicht zu erkennen. Hinter einer Unterführung steht ein Einsatzfahrzeug, das Blaulicht glänzt auf dem regennassen Asphalt.

Fahles Sonnenlicht fällt auf die kahlen Bäume an der Straße, die hier leicht ansteigt. "Der Weg wird gerne als Abkürzung genutzt oder als Schleichweg, wenn einer was getrunken hat", sagt ein Mann, der in Mayweilerhof vor dem Haus steht. Dass hier zwei Menschen in der Nacht zuvor erschossen wurden, sei erschütternd.

Eine Frau aus Ulmet berichtet, sie habe in der Nacht Schüsse gehört. "Wir haben hier immer wieder einmal Jäger und Militärmanöver, aber das klang anders." Einige Zeit später habe sie ein Martinshorn gehört. "Ich dachte, da sei ein Unfall passiert. Wer denkt hier bei uns gleich an ein Verbrechen?"

Eine Frau aus Mayweilerhof sagt, es sei eine ruhige Gegend. "Betrieb gibt es nur, wenn die Soldaten üben." Unweit von Mayweilerhof liegt der riesige Truppenübungsplatz Baumholder mit Manöverplätzen auch für Artillerie, Infanterie und Panzer. Kusel selbst ist eine kleine Stadt mit knapp 6000 Einwohnern, die mit Wandertourismus in der ebenso naturreichen wie beschaulichen Gegend wirbt.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 01. Februar 2022: PDF-Version herunterladen

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